Halb drei. Wir stehen zwischen zwei Scheunen. Ich kann schon seit einer Stunde nicht schlafen, habe zwischenzeitlichen einen dünnen Pullover übers T-Shirt gezogen, die nackten Beine zucken im Rhythmus der Musik von Springsteen und Dire Straits. Die Füße sind schon ein bisschen kalt, als ich Joe Cockers ‚With a little help of my Friends‘ auflege.
Wie die Zeit vergeht, von 1972 bis heute Nacht, ich schenke mir noch ein Gläschen Portwein ein, Hilde liegt zusammengerollt in ihrer Höhle. Sie kennt solche Nächte, die sich wiederholen und völlig unberechenbar über mich hereinbrechen. Im blauen Bus kannst du nicht hin und her gehen, da musst du dich aushalten können, bis der Schlaf wiederkommt.









Die Musik ist so laut, dass sie mein Denken übertönt, das gerade jetzt mit mir reden möchte, in einer Sprache, die nicht ungefährlich, geradezu bedenklich ist. Lass uns zurückschauen, weißt du noch, damals mit Meat Loaf, Cohen, die einsamen Nächte auf der Brücke, in der Ferne ein Schiff, das näher kommt, in der Kälte des Winters, das schwarze Wasser, auf Kölner Strassen. Lange vor Bap und ihrer Frage, wie lange das her ist, dass wir miteinander gesprochen haben.
Mit meinem Sohn habe ich immer geredet. Vielleicht hat uns das gerettet, in jenen Tagen, die nicht einfach waren zwischen zwei Männern. Der eine, der hinauswächst aus dem Leben des Vaters, und der andere, der das Haus des Kindes verlässt. Wir haben miteinander geredet, auch in jenen Zeiten, in denen wir gegeneinander geschwiegen haben, den Kontakt nie wirklich abgebrochen haben.
Heute Nacht schaue ich vom blauen Bus hinunter zum See, die Nachtlichter zeigen, wo die Köder liegen, es bleibt ein Rest Helligkeit in der Schwärze des Horizonts, obwohl kein Stern zu sehen ist. Ich wache immer wieder auf. Stündlich. Manchmal sehe ich ihn am Ufer die Angel neu auswerfen, das andere Mal wirkt er eingeschlafen, eine leicht gekrümmte Gestalt im Campingstuhl, immer sofort wach, wenn der Bissanzeiger leise tönt.









Die Nacht ist nass, liegt schwer auf dem Gras, in den kleinen Buchten voll mit Sand, der umrandet wird von Büschen mit Schilf, grünen, hohen Halmen, die im Wind sich bewegen. Der See ist gepflegt, wirkt weitläufig und hell, umrahmt von hohen Bäumen, hinter denen wir am Morgen lange spazieren gehen.
Der Pächter ist jung, freundlich, nimmt sich immer mal Zeit, mit den Anglern am Wasser zu stehen, ein wenig zu fachsimpeln, den Vögeln nachzusinnen, die in den Morgen hinein jubilieren. Natürlich, es ist ein Angelsee, die Dänen sagen „Put n Take“, die Alternative, um angeln zu gehen, wenn du nicht in einem Verein bist, trotzdem die Voraussetzungen brauchst, die Deutschbürokratland vorgibt.
Als wir vor über zwanzig Jahren @Svein – Egil Haugen auf Karlsoy im hohen Norden Norwegens kennengelernt haben, der dort als Lehrer und Schafzüchter gearbeitet hat, war es für ihn unerklärlich, dass Kinder ab zwölf Jahren in Deutschland einen Angelschein benötigen. In jenem Jahr hatte die norwegische Regierung Angelausrüstungen an Kinder landesweit verschenkt, um sie wieder an den alten Sport heranzuführen.
Es mag sehr unterschiedliche Plätze geben, dieser hier ist eine gute Erwähnung wert.
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Am Nachmittag fahren wir zurück nach Braunschweig, der blaue Bus, Hilde, Vater und Sohn, der müde ist, aber zufrieden. Gespräche im Raum, die Hilde zwischen uns schläft zufrieden, mein Sohn freut sich auf meinen Enkelzwerg, wir umarmen uns zum Abschied.
Es ist vier Uhr morgens, vielleicht kann ich jetzt noch eine Stunde zwei schlafen. Der letzte Song ist von Ilse de Lang und trägt den Titel „I still cry“
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Und dann höre ich doch noch Dire Straits, die mit mir älter geworden sind, ihr melodisches Going Home aus dem Film Local Hero. Dem Herrn Knopfler fehlen die Haare auf seinem Kopf, die lang auf meine Schultern fallen. So unterschiedlich auch unsere Wege sein mögen, wir sind über das Jahr 1972 hinausgekommen.
Was für ein großes Glück.